Wie lassen sich die Themen Diversität und Antidiskriminierung im digitalen Raum verhandeln?

Computer-Monitor in einer AUsstelung darüber rote Leuchtschrift
Foto: Lukas Bergmann

Ein Erfahrungsbericht von Gerda Maiwald, KIWit-Projektreferentin an der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel, zur Durchführung von Online-Workshops zu Diversitäts- und Antidiskriminierungsthemen im Kulturbereich

Das Coronavirus hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht – für viele Kulturschaffende auf existenzbedrohende Weise. Überlegungen, wie und ob Inhalte online zugänglich gemacht werden können, beschäftigen momentan fast die gesamte Kunst- und Kulturszene. Mit Fokus auf den Bereich der Erwachsenenbildung möchten wir unsere Erfahrungen mit der Durchführung von Live-Online-Workshops im Rahmen von KIWit teilen und die Chancen und Risiken diskutieren. Unsere Einschätzungen ergeben sich aus einer internen Reflexion mit den Workshopleiter*innen und einem anonymen Feedback der Teilnehmer*innen.

Eigentlich sollten die KIWit-Veranstaltungen der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel in verschiedenen Kultureinrichtungen und Städten in Deutschland stattfinden. Wegen der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus ging dieser Plan nicht auf. Wichtige Themen wie Empowerment für Kulturschaffende mit Behinderung oder Diversitätskritische Perspektiven auf die deutsche Filmbranche wollten wir dennoch nicht einfach so unter den Tisch fallen lassen. Deshalb entschieden wir uns gemeinsam mit den Workshopleitungen und Kooperationspartner*innen, die Formate in den digitalen Raum zu verlegen.

Alle Beteiligten reagierten sehr aufgeschlossen und flexibel, wenngleich die Konzeption und Durchführung von Online-Workshops mit vielen Herausforderungen einhergehen. Die Präsenzveranstaltungen waren ursprünglich als 1,5-tägige Workshops für ca. 15 Teilnehmer*innen geplant. Vor Ort sollte die gastgebende Kultureinrichtung inhaltlich einbezogen werden. Als Online-Workshops wurde der zeitliche Rahmen drastisch verkürzt, meist auf ca. vier Stunden inklusive Pause, außerdem mussten die Teilnehmendenzahlen, Methoden und Inhalte angepasst werden. Folgende Kurse wurden als Live-Online-Workshops durchgeführt:

  • „Kultureinrichtungen als Dritte Orte“ am 21. und 22. April in Kooperation mit dem Bauhaus Museum Dessau. Leitung: Eeva Rantamo
  • „Rassismuskritische Sprache im Kulturbereich“ am 23. April in Kooperation mit der Gesellschaft für Deutsche Sprache. Leitung: Amo-Braunschweig Postkolonial: Samuel Kofi Acheampong, Céline Bartholomaeus, Maik Bischoff
  • „Von der Website bis zum Gästebuch – Barrieren in Kultureinrichtungen“ am 27. April in Kooperation mit der Akademie der Künste. Leitung: <Platz da!>: Katrin Dinges, Hannah Furian, Swantje Noack, Mirjam Ottlewski, Stefanie Wiens
  • „Was stärkt mich in der Krise? Empowerment für Kulturschaffende mit Behinderung“ am 29. April. Leitung: <Platz da!>: Katrin Dinges, Stefanie Wiens
  • „Diversitätskritische Perspektiven auf die deutsche Filmbranche“ am 4. Mai in Kooperation mit der Deutschen Kinemathek und der Deutschen Filmakademie. Leitung: Nurten Karakaş, Murali Perumal

Was haben wir gelernt?

In technischer Hinsicht konnten die Workshops erstaunlich komfortabel umgesetzt werden. Der Wechsel zwischen Plenumsdiskussion, Input mit Präsentation oder Kleingruppenarbeit machten die lange Zeit vor dem Bildschirm erträglich. Letztlich wurde die Workshopdauer von meist vier Stunden vom Großteil der Teilnehmenden sogar als zu knapp bemessen wahrgenommen. Nichtsdestotrotz ist nicht zu unterschätzen, wie zäh eine lange Vorstellungsrunde online geraten kann oder dass der ungezwungene Smalltalk mit anderen Teilnehmer*innen in den Pausen doch fehlt.

Generell ist bei Online-Workshops oder Webinaren ein gutes Zeit-Management gefragt: Trotz unserer Bemühungen konnten die Themen nicht immer tiefgehender verfolgt werden und es war kaum möglich, dass sich alle Teilnehmer*innen mit ihrer jeweiligen Expertise einbringen konnten. Hier könnte von Vorteil sein, den Kurs auf zwei Module auszuweiten, was allerdings wieder organisatorische Hürden mit sich bringt.

Ein zentraler Punkt, der auch bei Präsenzkursen im Vorfeld bedacht werden sollte, tritt bei Onlineformaten noch deutlicher zutage: Wie kann eine möglichst gute Atmosphäre für Teilnehmer*innen mit Diskriminierungserfahrungen gewährleistet werden? Wenn marginalisierte Akteur*innen gemeinsam mit privilegiert positionierten Teilnehmenden an einem Thema arbeiten, können mögliche Irritationen oder Verletzungen in einem Onlinerahmen noch schwieriger vermieden oder behandelt werden.

Insgesamt war es herausfordernd für die Workshopleiter*innen, die Bedürfnisse von Individuen und die Dynamiken der Gruppe von ein paar Kacheln auf dem Bildschirm abzulesen. Auch bei der Frage, wie im Online-Bereich möglichst datengeschützte Räumen geschaffen werden können, muss derzeit noch der Kompromiss zwischen Datensicherheit und einer schnellen, ausfallfreien Technologie gesucht werden.

Wo können die Stärken eines Onlineformats liegen?

In der aktuellen Ausnahmesituation gibt es keine echte Alternative zu Online-Formaten – sofern die Workshops in jedem Fall durchgeführt werden sollen. Positiv betrachtet, bieten Onlinekurse zu Diversitätsthemen durchaus Möglichkeiten und neue Perspektiven, die auch in Post-Corona-Zeiten von Vorteil sein können.

So wird für einige Menschen die Teilnahme überhaupt erst ermöglicht. Durch den Wegfall einer längeren Anreise und Übernachtung werden finanzielle und physische Hürden weitgehend vermieden. Auch bieten digitale Formate zusätzliche Möglichkeiten der barrierefreien Kursgestaltung – ohne außer Acht zu lassen, dass für andere wiederum nur durch den direkten Austausch vor Ort eine Teilnahme barrierefrei wird.

Gerade im Bereich der diversitätssensiblen Kulturarbeit sind Fortbildungsangebote in Deutschland geographisch gesehen sehr ungleich verteilt. Während Kulturschaffende, die in „Hotspots“ wie beispielsweise Berlin leben, eine Vielzahl interessanter und qualifizierter Fortbildungsmöglichkeiten haben, müssen Bewohner*innen kleinerer Städte und ländlicher Regionen meist weit reisen. Durch die Verlagerung von Kursangeboten in das Internet kann an dieser Stelle zumindest ein Stück weit Ressourcengerechtigkeit hergestellt werden. Und zum Stichwort Ressourcen: Auch in Bezug auf den Klimawandel sind Onlinekurse trotz größerer Datenströme im Vergleich zu Präsenzkursen unter bestimmten Umständen vorteilhafter.

Fazit: Hätten wir die Wahl, würden wir uns vermutlich in den meisten Fällen für den Kurs vor Ort entscheiden. Live und direkt, mit echten, greifbaren Menschen, mit Austausch am Kaffeetisch. Dennoch sind wir froh, auch im Bereich von Teilhabe- und Antidiskriminierungsthemen die für uns neuen Wege beschritten zu haben. Wir bedanken uns bei allen Workshopleiter*innen, Kooperationspartner*innen und vor allem den Kursteilnehmer*innen, dass sie sich mit uns auf das Experiment Onlineworkshop eingelassen haben!

Gerda Maiwald ist KIWit-Projektreferentin an der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel. Dort verantwortet sie die Konzeption von Fortbildungsveranstaltungen zu Themen der diversitätsorientierten und diskriminierungskritischen Öffnung des Kulturbereichs und das Vor-Ort-Beratungsprogramm mit Schwerpunkt Diversität.